21. Mai 2024
Von: Thommy

Kann mich mal jemand kneifen?

11.11., 22:40 Uhr. Die Band bereitet sich irgendwo zwischen völliger Erschöpfung und extremem Enthusiasmus- auf ein weiteres Highlight des Tages vor: Der neunte und vorletzte Gig des Abends in der prall gefüllten Lanxess Arena.

Alleine dieser erste Satz wirkt auf mich aus so vielen Blickwinkeln surreal und hätten für mich vor 3 Jahren noch überhaupt keinen Sinn ergeben.

Sicherlich stolpert man nach wie vor über die Zeile „prall gefüllte Arena“. Die Bilder von leeren Fußballstadien und Veranstaltungsorten haben sich in unser aller Köpfe als finstere Erinnerung eingebrannt. Doch haben sie meine Sinne für Dankbarkeit derart geschärft, dass sich auch der neunte Gig am Tag noch anfühlt, als wäre es der erste. Hinzu kommt die Tatsache, dass wir in einer Zeit leben, in der wir leider täglich aufgezeigt bekommen, dass es eben nicht selbstverständlich ist, sich einfach mal ein Ticket kaufen zu können, um auf einer Großveranstaltung kräftig abzufeiern. Es ist ein Geschenk.

„Empfangen wir gemeinsam die RÄUBER“. Diese fünf Worte fühlen sich mittlerweile an wie der Zaubertrank des Miraculix. Denn innerhalb kürzester Zeit wandelt sich das Gefühl völliger Erschöpfung in extreme Vitalität um, und der Applaus der Jecken trägt einen förmlich auf die Bühne.

Der 11.11. in der Kölnarena ist für uns nicht nur wegen der Atmosphäre ein ganze besonderer Moment. Es ist das erste Mal, an dem wir unseren neuen Sessionstitel der „Riesenschüssel“ präsentieren. Die Aufregung und Neugier auf die Resonanz des Publikums ist entsprechend riesig. Die positiven Eindrücke der letzten Wochen können hier vergoldet werden oder sich eben auch schnell relativieren.

Letztes Jahr um diese Zeit haben wir mit „Wigga Digga“ nicht nur einen eigenen Sound gefunden, sondern eben auch geschafft, die positiven Eindrücke zu vergolden. Ich will jetzt nicht sagen, dass das einen unter Druck setzt… Doch. Voll.

Man kann sich tausende Male einreden, dass alles entspannt ist. Das lindert die Enttäuschung, wenn die neue Nummer nicht ankommen sollte. Aber was an diesem Abend in der Kölnarena auf der Centerstage mit „Oben Unten“ passiert ist, werde ich wohl nie vergessen. Es war dieser berühmte „kann mich mal einer kneifen“ Moment. Wie oft war ich mit meinem Bruder in der Lanxess auf Konzerten von Bap, Clapton, Aerosmith und habe geträumt, selber einmal in dieser Arena auf der Bühne zu stehen, wenn ich groß bin. Scheiß auf das „groß werden“. Ich sitze also da hinter meinen Trommeln, und um mich herum stehen da begeisterte Jecke, die wie wild mit ihren Armen von oben nach unten fuchteln und sich köstlich zu amüsieren scheinen. Zwischendurch ballert mir der Schrader mal eine Grimasse ins Gesicht, während sein linkes Bein versucht mir zu zeigen, wo sich in der Kölnarena die Decke befindet. Oder ein energieüberladenes Duracellhäschen mit Mikrofon in der Hand schießt direkt vor meinem Schlagzeug von Ost nach West. Wenn es den neusten Kameras gelingen sollte, dieses Häschen irgendwann einmal einzufangen, kann ich mir kaum vorstellen, dass es sich dabei um Sven West handeln könnte, der 10min vorher noch halbtot im Bus Salbeibonbons gefuttert hat, wie andere Leute Chips. DU GRANATE!

Mein Blick weicht nach links und ich sehe einen Mann, der im kölschen Karneval schon alles erreicht hat und sich diesen Strapazen, die der Karneval mit sich bringt, eigentlich gar nicht mehr stellen braucht. Wenn sich an dieser Stelle jemand fragt: „Warum macht er das denn noch“? Guckt ihm ins Gesicht.

Und dann ist da noch der Mann an dicksten Saiten dieser Welt, wie Sven es zu sagen pflegt. Ein Mann, der immer als letztes von der Bühne geht, weil er noch damit beschäftig ist, die dutzenden Handynummern und Strüssjer aufzusammeln, die ihm während unserer Auftritte pausenlos zuge
flogen kommen. Nein Martin, wir sind da nicht neidisch und gönnen dir das voll. DU ARSCH.

Und jedes Mal wenn ich glaube: „Jetzt ist er abgelenkt, der passt gerade nicht auf und verpasst bestimmt den Abschlag“ steht er auf einmal direkt neben mir und nagelt den letzten Ton dermaßen in die Arena, dass nach der Veranstaltung die Fundamente geprüft werden sollten.

Und während all diesen Eindrücken sitze ich da auf meinem Hocker und denke mir: „Hier bist du genau richtig“.Manchmal im Leben braucht man das gewissen Quäntchen Glück. Und ich denke, wir alle haben es gehabt, als wir uns 2021 gefunden haben.

Liebe Räuber, ich hab euch lieb. BANDE VON IDIOTEN! (Insider 🙂 )